Im Voodoo-Museum (5)

Gegenüber vom Jujumann liegt auf dem Boden ein anderes Orakel. Ein Männerschädel und ein Frauenschädel sind auf dem Boden eines Kästchens fixiert. Die Köpfe sind mit allerlei Krimskrams geschmückt, die Augenhöhlen beispielsweise mit je einer Kaurimuschel gefüllt. Der Museumsleiter erklärt den Kindern: „Das hier ist ein Orakel, das dem Jujumann oder anderen Medizinmännern alles Mögliche verraten kann.“ Dazu werden erst im Kästchen um die Köpfe herum Kräuter geopfert und entzündet. Es kann auch Tierblut geopfert werden, eben alles, was magische Kräfte besitzt. Wenn das Orakel sich dem Jujumann anvertrauen möchte, dann beginnt es, dem Fragensteller Antworten zu geben. Die direkten Antworten kommen aber nur vom Männerschädel. Die Frau daneben ist für nichts anderes da, als darauf zu achten, dass der Mann ja keinen Unsinn erzählt. Nur dann würde die Frau eingreifen. „Und die Frau sieht ziemlich verbissen aus, nicht wahr?“ weist der Ethnologe Christoph auf den nach vorn verschobenen Unterkiefer des Frauenschädels hin.

Oberhalb des Schädelorakels befinden sich zahlreiche Asen. Das sind Gedenkstäbe, die für besonders verehrte Ahnen fabriziert werden. Die gezeigten Exemplare sind aus Metall gestaltet, meist stark verrostet und teilweise versintert. Auf dem Stab ist meist eine kleine Platte mit Figürchen, um die verschiedene Elemente gruppiert sind. Sie stehen für die Lebensgeschichte des einzelnen Ahnen, an die sie erinnern sollen. Natürlich verschwinden diese Geschichten und somit die Schlüssel zu den meisten Asen. Ein Beispiel weiß der Ethnologe zu erzählen: Es zeigt einen Mann, der auf einem Stühlchen zwischen zwei Frauenfiguren sitzt. Das sind seine beiden Frauen. Sie sind mit einem Draht an den Händen miteinander verbunden, das stand für den Wunsch des Verstorbenen, dass seine beiden Frauen die Familie zusammenhalten. An einem kleinen Stäbchen ist ein detailverliebtes kleines Flugzeugmodell befestigt. Es steht dafür, dass die Seelen der verwandten Ahnen, die in die Sklaverei nach Übersee verschleppt worden sind, nach Afrika zurückfliegen können. Dabei wird der schwarze Kontinent durch ein kleines Tor symbolisiert, zu dem das Flugzeug hinfliegt.

Ich hatte von den Hinrichtungen durch den Jujumann erzählt. Weit weniger zivilisiert waren die Hinrichtungen auf den Sklavenschiffen, mit denen die Anhänger des Voodoo jahrhundertelang aus ihrer Heimat verschleppt wurden. Christoph zeigt eine Auswahl von Sklavenketten – für Männer, Frauen und Kinder. Je sieben Menschen waren für ein Jahr zusammengekettet. Erkrankte oder starb einer auf hoher See, wurden alle sieben einer Kette ins Meer geworfen, um Seuchen zu verhindern. Die ebenfalls ausgestellten Sklavenpeitschen sind beredtes Zeugnis dafür, dass der Mensch immer schon ganz besonders einfallsreich war, wenn es darum ging, anderen Menschen ein Leid anzutun.

Fortsetzung folgt.


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