Im Voodoo-Museum (2)

Christoph führt uns vorbei an Schildern von Medizinmännern, auf denen Krankheiten abgebildet sind. In Ländern mit hoher Analphabetenrate eine praktische Hilfe, wenn es darum geht, den richtigen Spezialisten zu finden. Wir gehen an Flaschen vorbei, die in Alkohol eingelegte Schlangen enthalten. Andere sind mit geheimnisvollen Tonkugeln gefüllt, bei denen man sich fragt, wie sie in die Flasche gelangt sind.

„Vorsicht!“, geleitet Christoph uns in den Tempelraum, „hier ist eine Schwelle.“

In dem großen Raum steht man vor einem reich geschmückten Altar. Dutzende helle Frauenstatuetten, z. T. mehrköpfig, stehen auf dem Tisch. Vor dem Tisch auf dem Boden ruhen Opfergaben: Schalen, Figuren, Tand, Schmuck, volle Fantaflaschen. Alles ist mit einem weißen Staub überzogen. An den Wänden hängen Fotos von Voodooanhängern. Sie tanzen auf den Bildern in Trance.

„Dieser Altar“, verrät uns der Ethnologe, „ist Mami Wata gewidmet.“

Bei Mami Wata, so erfahren wir, handelt es sich um eine recht junge Göttin. Sie scheint hauptsächlich auf die Galeonsfigur der Sklavenschiffe zurückzugehen, trägt aber auch Elemente von Maria und aus dem Hinduismus in sich. Sie ist eine sehr weibliche Göttin, daher vor allem für Frauen von Interesse. Trotzdem können auch Männer ihr Opfer darreichen, sie müssen aber vorsichtig sein. Denn wenn sie Mami Wata zu nahe kommen und ihr gefallen, kann es vorkommen, dass Mami Wata sie zu sich nimmt. Als Frau erwartet Mami Wata natürlich schöne Opfergaben. Deshalb bekommt sie auch ausgerechnet Fanta, denn die Farbe der Limonade gilt in Afrika als schön.

Der Altar im Museum ist nicht einfach ein Ausstellungsstück. Er wird auch noch zum Gottesdienst genutzt. Christoph erzählt von einem Botschafter aus Westafrika, der mehrmals im Jahr kommt, um am Altar Opfergaben niederzulegen. Mami Wata soll dafür sorgen, dass er das Geld erhält, um das Pariser Internat seiner Kinder zu bezahlen.

Auch ein Student aus dem Benin geht regelmäßig zum Opfern ins Museum. Er hat aus Afrika eine Kalebasse mitgebracht. In der sind 49 Kaurimuscheln, alle von 1 bis 49 durchnummeriert. Der Student kommt regelmäßig ins Museum, opfert Mami Wata etwas, zieht seine Lottozahlen und geht wieder. Fast jedes Wochenende gewinnt er so um die 30 Euro. Der Ethnologe fragte ihn mal, warum er nicht mehr opfert. Da erzählte der Student, nein, er wolle unter keinen Umständen zu viel Aufmerksamkeit bei Mami Wata erzeugen. Er habe nämlich jetzt eine Freundin hier in Deutschland und wolle nicht, dass die Göttin ihn zu sich nimmt.

Einmal kam er mit einem riesigen Blumenstrauß an den Altar. Christoph fragte ihn, was denn nun los sei. Und der Student erzählte völlig entsetzt, dass er beim letzten Lotto 500 Euro gewonnen habe. Jetzt, so meinte er, habe er Angst, dass Mami Wata ihn zu sich nähme. Deshalb wolle er sie gnädig stimmen!

Weiter geht’s an Ahnen und Zwillingspuppen, die als Ersatz für einen verstorbenen Zwilling am täglichen Leben teilnehmen.

Fortsetzung folgt.


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Kommentare

Eine Antwort zu „Im Voodoo-Museum (2)“

  1. Avatar von Corinna Hein

    Das ist so unglaublich wie interessant! Vor allem die Geschichte mit dem opfernden Studenten. Ich hoffe, er wird mit seiner deutschen Freundin glücklich und die Göttin lässt ihn noch lange auf der Erde. 🙂

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