Es gibt Dinge, die regen mich auf. Genauer: die regten mich auf. Denn ein Mix aus Resignation und beginnender Altersmilde beginnt die Aufregung zu verschütten. Eins dieser Dinge betrifft Menschen und ihre Möglichkeiten.
Vielen Menschen bleiben zahllose Möglichkeiten zeitlebens verwehrt. Diese Erkenntnis kann man unschön finden oder man kann ihr auch neutral gegenüber stehen. Aber seien wir ehrlich, sie wird sich nicht ändern lassen.
Einigen Menschen dagegen bietet sich ein breites Spektrum an Möglichkeiten. Nicht alle nutzen sie. Oft entscheiden sie sich für einen Weg, der nur scheinbar der einfachste ist.
Diese Diskrepanz ärgerte mich. Sie kollidiert mit meinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Ich finde, die Nichtnutzung eigener Möglichkeiten grenzt an Verschwendung, die ich nicht anders als degoutant bezeichnen kann.
Als Beispiel möchte ich von einem Interpreten erzählen, den ich musikalisch zwar nicht sonderlich wertschätze. Ich anerkenne aber, dass er handwerklich sauber arbeiten kann und Ideen hat. Dagegen gutheiße ich nicht, dass er sich mit Weichspülgedöns und billigen Effekten einen leichten Lenz macht, statt die Qualität bieten, die abzuliefern er meiner Meinung nach locker imstande wäre. Das Nichtgutheißen geht so weit, dass ich mich unter Einfluss hochgeistiger Getränke einmal sehr darüber echauffiert habe, was er da vergeudet. Anwesende Freunde blickten irgendwie pikiert; ich ahne, wie sie sich später über mich gewundert haben mögen.
Es brauchte eine Zeit, bis mir bewusst wurde, dass es eigentlich eine nach außen projizierte Selbstwut war.
Ja, ich weiß, was ich für Möglichkeiten habe. Eigentlich. Und ja, ich weiß, dass ich sie seit Jahren nicht nutze (was für Eingeweihte offensichtlich ist). Für mich persönlich besteht leider das Problem, dass ich sie nicht nutzbar zu machen verstehe.
Vielleicht liegt hier der Denkfehler. Vermutlich wissen viele nicht, welche Möglichkeiten sie hätten. Und selbst wenn sie es wissen, vermögen sie sie wahrscheinlich einfach nicht zu nutzen.
Ein Trauerspiel. Denn wie könnte eine Welt aussehen, in der jeder seine Möglichkeiten umzusetzen vermöchte? Das meine ich nicht im kommunistischen Sinne, sondern eher in einem psycho-emanzipatorischen Sinne. Hier läge die eigentliche Befreiung des Menschen. Aber leider krankt die Idee eben daran, dass Menschen eingerissene Schranken nur dann als solche wahrnehmen, wenn sie sie selbst eingerissen haben. Und diesen Schritt muss man sich eben zu gehen trauen. Denn was jenseits der Schranke lauert, das weiß man nicht oder bestenfalls – nur eingeschränkt: wenn man es nämlich mal geschafft hat, über die Grenze zu linsen.
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