Truman Capote, In Cold Blood

Es war ein hochinteressanter Vergleich, nach » Hemingway einen Truman Capote in die Hand zu nehmen, den ich im Hinterkopf schon länger angepeilt hat (was für ein schiefes Bild, ich werde seekrank). Die Wahl fiel nicht auf den Frühstücksklassiker, sondern auf – tja, wie soll man es nennen? Die Reportage in Buchform? Den längeren Essay? – In Cold Blood.

Das Buch schildert die Vorkommnisse um den vierfachen brutalen Mord an einer Farmerfamilie in Kansas durch zwei vorbestrafte Betrüger und Gewalttäter in den späten 60ern. Beide waren unter der Fehleinschätzung eingebrochen, bei einem Einbruch viel Geld zu kassieren, hatten sich jedoch schon im Vorfeld darauf verständigt, keine Zeugen zu hinterlassen.

Capote schildert mit einer sehr pointierten Sprache und einer vor allem in den ersten zwei Dritteln immer spannender werdenden Schnitttechnik. Er erzählt, wie es zu der Tat kam, wie die Lebensklingen der zwei Täter den Lebensfäden der vier Opfer immer näher kamen und diese schließlich zerschnitten. Er erklärt das Vorgehen der Ermittler und die erfolgreiche Verhaftung der lange Zeit Flüchtingen. Und schließlich beschreibt er das Verfahren und die Zeit in den Todeszellen bis zum Galgen. Obwohl die Schreibe ab dem Verfahren kaum anders ist als vorher, verliert er meiner Meinung nach allerdings hier etwas Verve. Nach dem sich immer schneller drehenden Rad bis zur Festnahme schien Capote nicht den rechten Rhythmus zu finden, den er für die Schilderung des Verfahrens brauchte. Hier verfängt er sich leider auch eher in Seitenstränge, deren Dasein für den Gesamttext eher unerheblich ist. Gleichwohl schafft er es, ein Sittengemälde des Mittleren Westens in den späten 50ern und frühen 60ern anzufertigen, das im Ganzen wirklich faszinierend ist – selbst angesichts der furchtbaren Tat, die der Erschaffung des Gemäldes zugrundeliegt. Wirklich sehr zu empfehlen, auch und gerade im Original.


Beitrag veröffentlicht

in

, , , ,

von

Kommentare

2 Antworten zu „Truman Capote, In Cold Blood“

  1. Avatar von Schrecke
    Schrecke

    Gelesen habe ich noch nichts von ihm und ich muss sagen, nachdem ich die Doku bei arte gesehen hatte,
    http://www.arte.tv/guide/de/058385-000-A/truman-capote-enfant-terrible-der-amerikanischen-literatur
    verspürte ich auch kein Verlangen danach.
    Meinst du, es lohne sich doch?

    1. Avatar von DocTotte

      Es ist ja wiederholt so in der Literaturgeschichte, dass Autoren, die menschlich eine reine Katastrophe waren, wunderbar mit Worten umzugehen verstanden. (Umgekehrt lässt sich daraus leider keine Regel herleiten.)
      Ich fürchte, ich hätte mit Capote nicht befreundet sein wollen, wenn er abgesehen von Harper Lee überhaupt so etwas wie echte Freunde hatte. Aber schreiben konnte er. Und wenn du es dir zutraust (deine Fremdsprachenkenntnisse sind mir unbekannt), dann probier es gern im Original.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: