Den Wunsch nach einem Aquarium verbinde ich übrigens nicht nur mit dem Zooladen im Rhein-Ruhr-Zentrum. Ich kann mich auch daran erinnern, wie ich zusammen mit meinem Vater beim Herrenfriseur war, denn ich war ja schon groß (4 oder so). Der Friseur war direkt vor dem Italiener am Ende der Karstadtpassage. Vorn ein Wartebereich, die tollen Friseurstühle, auf denen man immer hochgepumpt wurde (obwohl das Runterlassen immer besser war). Mein Vater saß weiter hinten, da wo die Waschbecken zum Haarewaschen waren und aufgetakelte 70er-Jahre-Bratzen, die den Herren die Maniküre erledigten. Natürlich hätte ich damals nie aufgetakelt oder Bratze gesagt. Ich hätte nicht mal gewusst, was das sein könnte. Aber es waren welche. Wenn ich frisiert wurde, fiel ich in eine Art Körpertrance. Mein Kopf ist wie bei einer Drahtpuppe, den der Friseur biegen kann, wie immer es es möchte. Beginnt er zu schneiden, beginnt ein Kribbeln auf dem Kopf, das ich genieße. Als Kind hatte ich das bei jedem Friseurbesuch. Einmal, das muss kurz vor Weihnachten gewesen sein, erzählte ich meinem Friseur von meinem Wunschzettel, dass darauf etwas von Fischen stand. Ich weiß nicht mehr, ob er oder ich das Stichwort „Wal“ ins Gespräch brachte. Auf jeden Fall malte ich mir irgendwann am Ende des Friseurbesuchs aus, zu Weihnachten einen Wal zu bekommen, wo immer der dann gehalten werden sollte. Denn ich kannte nicht nur Aquarien mit Fischen, so wie ich sie bei meinen Besuchen der Gruga zusammen mit meiner Oma kennengelernt hatte in dem objektiv gesehen schrecklichen Tropenhaus damals mit Spinnen, Stabheuschrecken, Krokodilen, Schnappschildkröte im Erdgeschoss und Schlangen, Eidechsen, Leguanen und Galapagosschildkröten in der ersten Etage sowie den Aquarien im Keller. Noch schlimmer war natürlich das Seehundbecken vor dem Haus, in dem Jahr um Jahr die Seehunde krepierten, weil die Arschlöcher von Besucher allen Mist ins Becken warfen, Münzen, Getränkeverpackungen, Pommesschalen, was immer sie gerade zum Werfen in der Hand hatten, und die Seehunde, vielleicht nicht die hellsten, zumindest aber besonders gequälte Exemplare, hatten nichts Besseres zu tun, als diesen ganzen Mist zu fressen. Aber ich kannte eben auch ein riesengroßes Becken, in dem Wale gehalten wurden, im Duisburger Zoo muss das gewesen sein, die armen Belugawale, und das Becken kam mir nur groß vor, weil ich winzig klein gewesen war, in Wirklichkeit ist das Belugabecken eine doppelstöckige Sitzbadewanne, wenn überhaupt, und Duisburg unter den großen Zoos ein besonders miserabler, aber wem sag ich das, das sieht sowieso jeder, der Augen im Kopf hat.
Und einmal, da hatte ich einen Großteil meiner Haare abschneiden lassen wollen, aber nicht beim Friseur, sondern meine Mutter sollte mir eine Glatze rasieren, denn es war abgemacht, dass ich Karneval als Clown gehen wollte, sollte, durfte. Aber als wir im Keller bei Roßkothen, dem Spielzeugladen in der Innenstadt, waren, da, wo es zu Karneval immer die Kostüme gab, gab es leider kein Augustkostüm mehr, vor allem nicht die aufsetzbaren Glatzen mit den gekräuselten roten Haaren an der Seite, denn die hatte ich haben wollen, der Rest des Kostüms war mir total egal gewesen. Und weil es die Haare nicht gab, wollte ich die Haare auf dem Kopf rasiert haben, denn rot waren sie ja sowieso, aber meine Mutter nähte mir ein Pierrotkostüm und schminkte mich und ich habe geheult und keinen Spaß gehabt an dem Karneval, obwohl mein Vater mich auf seinen Schultern getragen hat, aber gegenüber auf der anderen Seite des Zugs faxte mein bester Kindergartenfreund im Cowboykostüm mit Knarren herum, und das war natürlich viel, viel cooler als Pierrot.
Im Jahr drauf ging ich als Pirat. Mit Dreispitz, Vorderladerpistole und geschminkter Narbe torkelte ich stundenlang durch die Toreinfahrt unseres Hauses und sang „15 Mann auf des toten Manns Kiste drauf“, denn natürlich kannte ich die Schatzinsel schon. Das Buch hatte mein Vater sich aus England mitgebracht, als er mal in London war, wo er „meat in roll“ bestellte, weil ihm die Vokabel „sausage“ partout nicht einfallen wollte, und von woher er mir ein englisches Taxi als Spielzeugauto mitbrachte. Mit dem Auto, einem zweiten Wagen und einem Autotransporter habe ich später im Kinderzimmer den perfekten Banküberfall ausgeklügelt.
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