Mein Vater (8)

Meine Eltern hatten ein tolles Badezimmer. Es hatte eine Dusche links, dahinter Bidet und Klo. Rechts waren zwei Waschbecken, zwei Spiegel und am Ende eine Badewanne. Die Dusche war besonders toll für Streiche, fand mein Vater. Manchmal, wenn meine Mutter duschte, legte er uns Kindern gegenüber den Zeigefinger auf den Mund, holte ein Glas, füllte es in der Küche mit eiskaltem Wasser. Dann schlichen wir drei uns leise ins Bad und mein Vater schüttete das eiskalte Wasser über die Duschtür meiner Mutter auf den Kopf. Sie schrie vor Schreck und wir drei lachten. Mein Vater versteckte sich auch mal gern, wenn wir nach Hause kamen, und überraschte uns plötzlich, weil er hinter der Tür stand. Oder er legte uns Kinder rein, indem er, bevor er mit unserer Mutter wegging, meiner Schwester und mir sagte, er hätte am Fernseher ein Gerät, mit dem er sehen könnte, ob wir Fernsehen geguckt haben, was wir nicht sollten, wenn wir allein waren. Als sie wiederkamen, guckte er hinter den Fernseher, wurde ernst und sagte, wir hätten geguckt und meine Schwester sagte: „Aber nur ganz kurz!“ und das war natürlich geblufft von ihm und wir fielen darauf rein. Sonst guckten wir manchmal gemeinsam Pipi Langstrumpf oder Winnetou oder Formel eins oder mein Vater guckte immer die Wahlsendungen. Einmal fragte ich ihn, was er gewählt hatte, und er wollte es erst nicht verraten, sagte dann aber eine Partei. Und obwohl ich einige Jahre glaubte, dass er FDP gesagt hatte, muss er SPD gesagt haben, weil er ja in der Partei war, im Ortsverein, sogar im Vorstand. Und das war derselbe Ortsverein, in dem ich später kurz Mitglied war, bis ich merkte, was für eine korrupte Scheiße Parteien auf jeder Ebene sind, und ich lernte sogar noch den Genossen kennen, mit dem mein Vater sich immer gezofft hatte laut meiner Mutter, obwohl der Idiot von Genosse das natürlich nicht merkte, der Karlheinz. Und beim Fernsehgucken spielte und bastelte ich gern. Ich baute Forts aus Styropor und Uhu und lernte, dass Uhu das Styropor zerfraß. Und ich brachte mir selbst Malnehmen bei, als ich einmal das Titellied von Pipi Langstrumpf aufmerksam verfolgte, denn vorher konnte ich nur zusammenrechnen und abziehen. Und meine Schwester, die hatte, wenn sie neben unserem Vater auf der Couch saß, immer die BWZ bei sich liegen, das war die Beilage fürs Radio- und TV-Programm, die es einmal die Woche in der WAZ gab, der größten Regionalzeitung Deutschlands. Und wenn zum Beispiel bei Winnetou geschossen wurde, musste meine Schwester urplötzlich unbedingt etwas in der BWZ lesen und hielt sich die Billigillustrierte vor die Nase, weil sie es nicht ertrug, wenn Leute aufeinander schossen. Sie ertrug es aber, wenn Winnetou mit seinem Rappen sprach, denn sie mochte Pferde, und deshalb spielten meine Schwester und ich auch oft Ntschotschi und Winnetou, die auf ihren Pferden ritten und ihnen immer wieder Geheimnisvolles ins Ohr flüsterten. Und die Pferde waren unsere Eltern, die sonntags einmal ausschlafen wollten, aber wir ritten auf dem Rücken unserer dösenden Eltern.


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