Es ist doch verblüffend, dass es Menschen gibt, die Joyce’ Werk auf lediglich ein einziges Thema reduzieren. Dabei zeichnet es doch gerade Joyce aus, dass er Wörter, Sätze, Sprachen, Geschichten, Ideen und Überlegungen aus aller Welt wie ein Schwamm aufsaugte, genüsslich darauf herumlutschte (mit Beißen war ja irgendwann nicht mehr viel) und ein Kleinod ausspuckte. Manchmal war es ein Carbochon, manchmal aber auch ein Brillant.
Der Ulysses ist so ein Brillant. Er hat gerade genau die richtigen Facetten, um ein rundes Buch zu sein. Auf jeder Seite kann man sie entdecken, manchmal auch erst bei der zweiten oder späteren Lektüre. (Ganz anders dagegen der Finnegans Wake, der praktisch nur noch aus Facetten besteht, sodass es schwierig ist, hier noch ein Ganzes zu erkennen.)
Umso lustiger, dass mir erst neulich jemand „selektive Wahrnehmung“ vorgeworfen hat, weil ich mehr als ein Thema im Buch dieses so kurzsichtigen wie abergläubischen Autortenorsprachlehrerdichtersäufers sehe. Aber gegen billige Verbohrtheit gibt es nun einmal kein Mittel. Menschen, die nicht sehen wollen, sehen auch nicht, wenn man ihnen sagt, was es zu sehen gibt.
Und weil mehr in Joyce steckt als nur 1 Thema, braucht man sich bei seiner Lektüre auch nicht zu langweilen. Im Gegenteil sind gerade die beiden letzten Werke aktives Gehirnjogging. Dabei erscheint mir der Ulysses noch eleganter, weil er deutlicher die Brücke zwischen lesbarer Literatur und Wortklang schlägt als Finnegans Wake. Aber auch beim Ulysses muss man sich eben auf so manches einlassen.
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