Den meisten Lesern dürfte – zumindest grob inhaltlich – Moby Dick bekannt sein. Der Kreis der Leser, die das zugrundeliegende Unglück kennen, fällt höchstwahrscheinlich deutlich kleiner aus. Ja, man mag es kaum glauben, aber Melville hat das Hauptereignis in Moby Dick nicht erfunden. Drei Dekaden vor der Niederschrift geschah im Pazifik etwas, das dem Walfang einen neuen Mythos bescherte: Ein Wal griff das Walfängerschiff an und versenkte es.
Der Autor Nathaniel Philbrick, standesgemäß auf Nantucket beheimatet, untersucht im vorliegenden Werk nun die Geschichte um diese Fahrt. Dabei liegt sein Hauptaugenmerk gar nicht mal so sehr, wie man meinen könnte, auf der Versenkung durch den Wal, sondern vielmehr auf der Katastrophe danach. Windet Melville sich noch geschickt dadurch heraus, dass alle Mann ertrinken – notwendigerweise bis auf den Erzähler –, so macht Philbrick deutlich, dass erst nach dem Sinken des Walfängers die Not der Mannschaft beginnt. Ausgesetzt mitten im Pazifik in den kleinen Walfängerbooten kämpfen sie ums nackte Überleben. Zunächst meiden sie noch aus Furcht vor Kannibalismus die Gesellschaftsinseln, doch als der erste an Bord eines der Boote stirbt, tritt genau diese Frage auf: Kann man, darf man in der Not Menschen essen? Noch dazu einen Kameraden? Doch die Lage verschlimmerte die Not noch. Denn ist diese Grenze erst überschritten, während die Verzweiflung weiter andauert, kommt die nächste Frage auf: Darf das Los darüber entscheiden, wer als nächster Nahrung für die anderen bietet?
Ein gutes Buch, gespickt mit zahlreichen Details um die Seefahrt. Es ist die perfekte Ergänzung zu Moby Dick und verdient es, weiter bekannt zu sein.
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